Interdisziplinäre Arbeitsgruppe

KONFLIKTLANDSCHAFTEN


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Spuren der Ereignisse und Fragestellung

Eine Gedenktafel und mehrere Gedenksteine weisen heute am ehemaligen Standort des Lagers II auf die Opfer des "Sonderkommandos Herold" hin und deuten an, wo sich vermutlich ihre Gräber befinden. Erste Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass die in den historischen Quellen überlieferten Angaben zu den Grablagen sich widersprechen und kaum Rückschlüsse auf die tatsächliche Verortung der Gruben zulassen.

Das Lagerareal zwischen den Dörfern Aschendorfermoor und Neulehe in einer aktuellen Kartenansicht [Esri Basemap Openstreetmap].

Im Rahmen des Projekts "Boden | erinnert. Gewaltorte als Konfliktlandschaften in der Geschichtskultur", das von 2020 bis 2022 als eine Kooperation zwischen der Gedenkstätte Esterwegen und der Professur für Neueste Geschichte und Historische Migrationsforschung der Universität Osnabrück durchgeführt wird, ist unter anderem eine differenzierte Untersuchung des Friedhofs Dalum geplant. Das Projekt wird im Programm "Jugend erinnert" durch die Kulturstiftung des Bundes gefördert. 

Vom Lager selbst finden sich an der Oberfläche keine Spuren mehr. Das Trümmerfeld, das nach dem Brand des Lagers 1945 übriggeblieben war, wurde in der Nachkriegszeit nach und nach beseitigt. Schließlich blieb neben dem später errichteten und mehrfach überbauten Ehrenfriedhof nur landwirtschaftliche Nutzfläche, auf der nichts mehr auf den ehemaligen Lagerstandort hindeutet [Gedenkstätte Esterwegen]. 

Damit stellt sich trotz aller verfügbaren Quellen und Dokumente, Untersuchungen und Rekonstruktionen noch immer die Frage, wo genau sich die Morde, die Willi Herold und seine Mittäter begangen haben, abspielten haben, wo genau die Opfer begraben wurden und wo deren Überreste heute ruhen.

Wo also sind die historischen Tatorte und wo sind die Opfer bestattet? 

Der überraschende Befund dieser Leerstelle in unserem Wissen steht für ein Phänomen, das wie die Emslandlager zahlreiche Lagerkomplexe der NS-Zeit betrifft: Immer wieder kamen Gefangene auch bei Außeneinsätzen ums Leben, ihre Bestattungen wurden mehr oder weniger gut dokumentiert. In der Endphase des Krieges eskalierte die Gewalt der Täter oftmals, während kaum noch Informationen über die Geschehnisse aufgezeichnet wurden. In der Nachkriegszeit kam es wiederum zu teils schlecht dokumentierten Umbettungen. 

Tatsächlich existieren auch in Deutschland noch zahlreiche Orte, an denen Opfer des NS-Systems undokumentiert oder gar unbekannt in Massengräbern liegen. 

In den Emslandlagern betrifft dies insbesondere auch das Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen unter den Todesopfern, die häufig in Massengräbern verscharrt wurden. Es ist davon auszugehen, dass zahlreiche Tote außerhalb der neun bekannten Friedhöfe im Bereich der Emslandlager liegen, sodass ihnen eine angemessene Ruhestätte verwehrt bliebt. Auch auf den “Ehrenfriedhöfen” bzw. Kriegsgräberstätten erweisen sich die eigentlichen Grablagen sowie Art und Umfang der Bestattung bzw. Umbettung vielfach unklar [Gedenkstätte Esterwegen].

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